Moderator und Musiker Hannes Ringlstetter: Verzeihen ist möglich
Shownotes
In der 26. Folge von ÜdE spreche ich mit Hannes Ringlstetter. Er ist ein echtes Multitalent: Musiker, Comedian, Moderator, Schauspieler und Buchautor. Sein neues Buch "Ein Steinpilz für die Ewigkeit" ist zum Spiegel-Bestseller geworden. Was für ein Buch über den Tod viel bedeutet.
Das Gespräch hat mir viel Freude gemacht, vor allem auch, weil Hannes Ringlstetter zeigt, wie man sich wieder verstehen kann, wenn es auch in der Vergangenheit sehr schwer war. So hat er es mit seinem Vater geschafft. Er erklärt ausführlich, wie sie das mit dem Verzeihen zusammen erreicht haben.
Hören Sie rein, und schreiben Sie mir an podcast@chrismon.de, wie Ihnen das Gespräch gefallen hat.
Das Gespräch wurde im November 2024 aufgenommen.
Weitere Informationen zu Hannes Ringlstetter und seiner Arbeit finden Sie auf seiner Website:
https://www.ringlstettertv.de/
Sein neues Buch finden Sie hier:
https://www.dtv.de/buch/ein-steinpilz-fuer-die-ewigkeit-44429
Folgen Sie ihm auf instagram:
https://www.instagram.com/hannesringlstetter/
Hier finden Sie meine Bücher zum Thema Tod und Sterben:
- Konstantin Sacher: Leben mit dem Tod. Gütersloher Verlagshaus 2022
- Konstantin Sacher: Zwischen Todesangst und Lebensmut. Mohr Siebeck 2023
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Über das Ende: Als Kind habe ich oft geträumt, dass ich ertrinke. Dann bin ich erschrocken aufgewacht. Jetzt habe ich selber Kinder, bin gesund, zum Glück, denn die Vorstellung, sie zurücklassen zu müssen: der Horror. Was erfährt man über das Leben, wenn man über den Tod nachdenkt? Das frage ich prominente Menschen in meinem Podcast „Über das Ende“. Ich bin Konstantin Sacher, chrismon-Redakteur, und freue mich, wenn Sie zuhören!
Transkript anzeigen
00:00:00: Ich habe einfach wirklich gesagt, du pass mal auf, das machen wir jetzt ganz anders.
00:00:04: Jetzt sagen wir erstmal, dass das echt scheiße war.
00:00:07: Und das heißt ja Entschulden, heißt ja, dass die Schuld nicht mehr existiert.
00:00:13: Nicht, dass man sie vergisst, sondern dass sie wirklich ausgelöscht ist.
00:00:18: Es war wie die Erkenntnis einer Dimension, auf die man keinen Zugriff hat als kleines Menschlein.
00:00:26: Also ich persönlich glaube an Energie, ich glaube, dass alles energetisch zusammenhängt.
00:00:36: Deswegen finde ich auch die christliche Idee, also als philosophische Idee so genial,
00:00:42: weil es halt das Adam und Eva und das Kein- und Abel-Prinzip quasi zieht sich halt einfach durch.
00:00:48: Was halt ein gutes Bild für die Ampivalenz des Lebens ist.
00:00:52: Hallo und herzlich willkommen zur neuen Folge von Über das Ende. Mein Name ist Konstantin Sacher.
00:00:57: Ich bin Redakteur von Christmann und spreche alle zwei Wochen mit interessanten Menschen über den Tod und den Sinn des Lebens.
00:01:03: Heute mit Hannes Ringelstädter. Schön, dass Sie dabei sind.
00:01:05: Ja, danke schön. Herzlich willkommen auch von meiner Seite.
00:01:08: Bevor ich Sie vorstelle, Herr Ringelstädter, meine erste Frage, die immer gleich ist.
00:01:11: Wann haben Sie denn das letzte Mal an Ihren eigenen Tod gedacht?
00:01:14: Vor zwei Stunden ungefähr.
00:01:18: Wollen Sie uns noch erklären, in welchem Zusammenhang das war?
00:01:23: Ja, das kann ich Ihnen schon erklären. Es war nämlich so, dass ich meine Mutter, meine Demäntemutter, ist im Heim.
00:01:30: Und das hat heute so einen Enkeltrick-Anruf erhalten, dass meine Schwester und ich bei irgendeinem Unfall sind
00:01:39: und sie soll da hinkommen und Geld mitbringen, also diesen Irrsinn.
00:01:43: Und dann habe ich hier, ich war im Zug gesessen, habe ich aufgelegt, dann habe ich übers Elterwerden nachgedacht und übers Allzeichen
00:01:49: und dann unweigerlich über das Ende des Lebens und wie man dann so wird und was Gesundheit bedeutet,
00:02:00: was das Sterben dann bedeutet, wenn man solche Dinge erleben muss.
00:02:06: Meine Mutter ist den ganzen Tag schon komplett aufgelöst und mit den Nerven am Ende und so.
00:02:10: Und dann denke ich mir, oh Gott, die kapiert einfach nicht, was passiert ist.
00:02:14: Und da habe ich halt wahnsinnig viel darüber nachgedacht.
00:02:16: Insofern erwischen Sie mich tatsächlich ganz frisch in dem Gedanken, wobei ich dieses Denken an den eigenen Tod oder überhaupt an die Endlichkeit,
00:02:26: das begleitet mich eigentlich schon immer in meinem Leben.
00:02:31: Das heißt schon als Kind?
00:02:33: Nein, als Kind nicht, aber ich würde mal sagen, ab den ersten Erfahrungen, wenn rundherum jemand zu Tode kommt.
00:02:41: Bei mir war das Anfang 20, glaube ich, als von einem Freund der Bruder irgendwie verunglückt ist
00:02:46: und dann dieses Thema plötzlich so präsent war und ich habe Zivildienst gemacht.
00:02:50: Und da war man auch permanent konfrontiert mit diesem Thema.
00:02:54: Und ich habe das eigentlich schon immer in mir auch als Thema über das man sich einfach auseinandersetzen muss
00:03:06: und wo man irgendwie lernen muss, sich davon nicht die Schwere zu begeben,
00:03:11: sondern vielleicht gerade deswegen das Leben mehr Wert zu schätzen.
00:03:17: Jetzt sind wir schon mitten im Thema.
00:03:20: Ich habe ja auch versprochen, dass Sie noch vorstellen.
00:03:23: Da werde ich auch gleich was von Ihrem Buch sagen, aber ich wollte, bevor ich das mache,
00:03:26: gleich auf eine Sache eingehen, die ich in dem Buch gelesen habe, denn da schreiben Sie ja,
00:03:29: dass Sie schon mit dem Kindergarten mal mit dem Tod konfrontiert waren als ein Mädchen,
00:03:33: das Sie sich verliebt hatten oder nicht verliebt.
00:03:35: Aber sozusagen, wenn man sich als Kindergarten-Kind verlieben könnte, wäre es vielleicht so ähnlich gewesen,
00:03:39: dass es dann auf einmal plötzlich verstorben ist.
00:03:42: Und dass Sie sich dann noch so dran erinnern und dass das bis heute präsent ist,
00:03:47: dass Sie sich dann noch über das Leben über mir hängen geblieben.
00:03:50: Ja, das war krass.
00:03:53: Das war wirklich krass, weil, wie Sie schon gesagt haben,
00:03:57: verlieben ist ja immer so, in dem ich war da fünf oder so,
00:04:00: aber die fand ich halt irgendwie toll, oder süß oder keine Ahnung.
00:04:04: Und dann war die halt nicht mehr da und dann hat meine Mutter mir halt versucht zu erklären,
00:04:08: dass die jetzt im Himmel ist.
00:04:10: Und dann habe ich gemerkt, dass mich das nicht tröstet, diese Idee.
00:04:15: Also, in der Nachschau war das so das erste Mal,
00:04:21: dass ich so mit diesem, weil wir haben sehr viel gebetet und Abendgebet und so immer gebetet im Bett,
00:04:28: dass ich das erste Mal auch so diesen Zweifel hatte quasi an der Richtigkeit dieser Geschichte.
00:04:34: Oder das erste Mal diese THDC-Frage eigentlich mal schon gestellt hat, aber in dieser kindlichen Manier.
00:04:41: Wie kann das sein? Was soll das für ein lieber Gott sein, wenn jetzt die nicht mehr da ist?
00:04:46: Das kann ich mich noch nämlich, also das habe ich ziemlich präsent, dass das da irgendwie das erste Mal so war.
00:04:51: Ja, wir können vielleicht nachher noch auf den Glauben und auf solche Fragen zurückkommen.
00:04:55: Es spielt ja in Ihrem Buch auch immer wieder eine Rolle,
00:04:57: von dem ich jetzt aber auch allen Hörern und Hörern erzählen möchte.
00:05:00: Hannes Ringelstädter ist ein künstlerisches Multitalent, würde ich mal sagen.
00:05:03: Er ist Comedian, Musiker, Schauspieler, Fernsehmoderator und Buchautor.
00:05:07: Seit 2016 kann man ihn regelmäßig im Bayerischen Rundfunk Donnerstags um 22 Uhr
00:05:12: und sein der Late Night Show Ringelstädter sehen.
00:05:15: Im Fernsehen ist er aus der Serie Hubert und Staller bzw. ohne Staller bekannt.
00:05:20: Und im Oktober ist sein neues Buch erschienen, "Ein Steinpilz für die Ewigkeit, mein Abschied vom Vater".
00:05:26: Da hört man schon im Titel, dass es gut zu unserem Podcast Thema passt.
00:05:29: Noch mal schön, dass Sie dabei sind, Herr Ringelstädter.
00:05:32: Das Buch heißt "Mein Abschied vom Vater". Im Oktober 2022 ist Ihr Vater mit 93 Jahren verstorben.
00:05:40: Warum wollten Sie denn unbedingt ein Buch über ihn oder über den Abschied von ihm schreiben?
00:05:44: Erst mal wollte ich das unbedingt gar nicht.
00:05:48: Es war so, dass während diesem Abschiedsweg ich so gedacht habe, ich würde mir das gerne merken.
00:05:58: Nicht nur in den Fakten, sondern auch emotional, was da mit mir passiert oder mit uns allen, die da beteiligt waren.
00:06:05: Und habe dann gedacht, man könne sich dann Notizen machen, das geht aber nicht währenddessen.
00:06:10: Man ist irgendwie in dieser Transwelt dieses Erlebnis, da kann man sich nicht was aufschreiben.
00:06:18: Das ging zumindest bei mir nicht.
00:06:20: Und dann habe ich aber gemerkt, nachdem mein Vater gestorben war
00:06:23: und ich musste relativ schnell wieder funktionieren, dieses Scheißwort "funktionieren".
00:06:27: Das mir das nicht gefällt.
00:06:30: Also was mir gefällt nicht, habe ich gemerkt, dass ich jetzt quasi versuche, mich wieder in den Alltag zu schmeißen
00:06:38: und mit diesem Thema oder mit dieser Emotion nicht weiter mich zu beschäftigen.
00:06:44: Das habe ich dann beschlossen, das werde ich tun.
00:06:47: Ich werde also traurig sein.
00:06:49: Ich werde trauer in meinem Leben zulassen.
00:06:52: Ich werde versuchen, das zu lernen.
00:06:54: Ich werde trauer, weil das ein Gefühl ist oder ein Zustand,
00:06:58: dem man ja bevor er eintritt, nicht vorbereiten kann.
00:07:02: Also wie geht das? Keine Ahnung, wie das geht.
00:07:05: Und dann habe ich gemerkt, dann habe ich mit Leuten gesprochen,
00:07:12: natürlich meiner Generation, wo alle das gleiche Thema haben, im Idealfall.
00:07:17: Also alte Eltern, die sterben oder gestorben sind.
00:07:21: Und dann haben immer Leute auch zu mir gesagt, wenn ich so drüber geredet habe, über das Erleben,
00:07:28: dass sie finden, dass ihnen das genauso geht wie mir, aber sie haben keine Sprache dafür.
00:07:37: Und dann habe ich mir gedacht, okay, ich bin halt ein Mann der Sprache, ich kann mit Sprache gut umgehen.
00:07:43: Es wäre vielleicht ganz gut, das doch aufzuschreiben.
00:07:46: Das war der eine Grund.
00:07:48: Das war der Grund, dass, wie Sie schon sagen, mein Vater '93 wurde.
00:07:53: Und '29er Jahrgang war, um mir so aufgefallen ist, dass diese Generation, die den Krieg noch erlebt hat,
00:08:02: und die dieses Jahrhundert quasi fast komplett erlebt haben, dass die ja langsam auch aussterben.
00:08:10: Und dass man darüber auch erzählen kann, also auch über diese Form von Mann, die das nun mal ist.
00:08:17: Einfach Männer, die den Krieg noch erlebt haben, die irgendwie mit vielen Notwendigkeiten in ihr Berufsleben gestartet sind.
00:08:25: Da war nix mit individueller Entfaltung und dem ganzen Filifanz mit dem wir uns so beschäftigen.
00:08:32: Ich habe schon ein bisschen das Gefühl, es liest sich auch jetzt nicht ganz so,
00:08:36: ein bisschen wie so ein Trauertagebuch auch.
00:08:38: Also man merkt, dass man hat das Gefühl, Sie haben es währenddessen geschrieben.
00:08:42: Sie haben es nicht später aufgeschrieben.
00:08:44: Ich konnte mir was zu Gute, was im richtigen Leben oft auch gar nicht so gut ist,
00:08:49: dass ich mich wahnsinnig gut erinnern kann an Sachen und an Erlebnisse.
00:08:54: Und bin es dann tatsächlich, und das war vielleicht meine Form auch von Trauerarbeit,
00:08:59: dass ich da einfach nochmal durch dieses ganze Leben noch einmal versucht habe, durchzugehen.
00:09:05: Und ich konnte mich nicht nur intellektuell dran erinnern, sondern ich konnte mich auch an die Gefühle erinnern.
00:09:11: Und da, wo ich mich nicht dran erinnern konnte, hat mir meine Frau geholfen,
00:09:15: weil die dann irgendwie auch mich mal korrigiert hat,
00:09:18: weil man erinnert sich auch lustigerweise an manche Sachen auch falsch in diesem Zustand.
00:09:23: Genau, und dann habe ich halt versucht, das quasi zu erzählen.
00:09:27: Ich fand es wichtig, dass man es irgendwie erzählt und nicht so abhandelt,
00:09:33: sondern dass man es irgendwie als emotionale Reise versucht zu erzählen mit Anekdoten,
00:09:40: und das ist ja nicht nur alles Traurig in dem Buch.
00:09:42: Ja, ich finde sogar, dass es überhaupt nicht Traurig ist, ehrlich gesagt.
00:09:46: Natürlich ist ja auch nicht mein Vater, insofern habe ich natürlich diese Seite nicht,
00:09:50: sondern ich finde es eigentlich eher, ja, es ist eher so ein bisschen mutmachend,
00:09:55: oder es hat wirklich positive Seiten, und da wollte ich auch auf jeden Fall gleich noch mit Ihnen draufkommen,
00:09:59: weil ja dieses Verzeihen und irgendwie dieses Miteinander klarkommen,
00:10:02: wie ich wieder miteinander klarkommen, ziemlich im Zentrum steht,
00:10:06: aber vielleicht, bevor wir darauf kommen können, vielleicht können Sie kurz beschreiben,
00:10:09: was war Ihr Vater für ein Mann?
00:10:11: Mein Vater war ein kleiner Mann von Körpergröße mit einer extremen Autorität,
00:10:18: aber dennoch mit einem hohen Intellekt, einer unfassbaren Bildung.
00:10:23: Also mein Vater war Deutsch- und Geschichtslehrer und war historisch wahnsinnig gebildet,
00:10:29: war sprachlich, brillant.
00:10:31: Er war ein Konservativer, aber kein ... also er kam nicht aus einer Nazi-Familie,
00:10:39: das war ein großes Glück auch für unsere späteren Diskussionen,
00:10:43: aber er war ein konservativer Mensch, der aber trotzdem aufgeschlossen war für neue Ideen,
00:10:53: aber so ein ganz festes Wertekonstrukt hatte, und er war Patriarch.
00:10:59: Also es war jetzt nicht so, dass man von Demokratie sprechen konnte in unserem Haus.
00:11:05: Es war schon hart geführt von oben, und deswegen natürlich auch nicht immer nur schön.
00:11:14: Also es war eine ordentliche Reibung vorhanden zwischen uns,
00:11:21: vor allem also sagen wir mal ab zwölf, 13, wenn es halt losgeht, mit eigener Meinung und so weiter,
00:11:27: und er hatte ein Teil schwarzer Pädagogik noch in sich drin,
00:11:32: aus diesem Anfang des 20. Jahrhunderts Pädagogik, wo also schon die Hand auch ausgerutscht ist,
00:11:40: und so dieser Widerspruch war zwischen schwarzer Pädagogik und Humanismus in seinen Theorien.
00:11:46: Also da hat er schon einen extremen Widerspruch in sich gehabt, den wir aber,
00:11:51: da werden wir ja später noch draufkommen, wenn Sie das Thema schon anspringen,
00:11:54: den wir später aufgelöst haben dann.
00:11:56: Aber er war auch ein ziemlich katholisch, hat man das Gefühl, wenn man das Buch gelesen hat.
00:12:00: Ja, er ist sehr katholisch. Also sagen wir mal so, er war dem grüßlichen Glauben,
00:12:05: also er war total überzeugt von der grüßlichen Idee.
00:12:09: Er hätte nämlich eigentlich Pfarrer werden sollen, er hatte so sein Hässel so mit der katholischen Kirche,
00:12:19: mit der Amtskirche, hat aber auch da, also er war, wenn man jetzt mal rein, kirchenhistorisch sieht,
00:12:28: ein massiver Anhänger des zweiten vatikanischen Konzils,
00:12:32: und ich heiß deswegen Johannes, weil er mich eigentlich taufen lassen wollte auf Johannes, den 23.,
00:12:38: was aber nicht ging natürlich, sondern man musste dann den Johannes den Evangelisten nehmen.
00:12:44: Man kann es ja nur vielleicht für die Hörerinnen und Hörer,
00:12:46: die sich jetzt nicht so gut mit katholischer Kirchengeschichte auskennen,
00:12:49: also das zweite vatikanische Konzil nach dem zweiten Weltkrieg steht für die Öffnung der katholischen Kirche,
00:12:56: Modernisierung der katholischen Kirche und auch, man kann sagen,
00:12:59: einen liberalen Aufbruch, der dann nicht wirklich in die Tat umgesetzt wurde im Nachhinein.
00:13:05: Und heute hat man eher das Gefühl, es geht wieder ein bisschen rückwärts,
00:13:09: sage ich jetzt als Nichtkatholik, so als in der Beobachterposition.
00:13:12: Also so war es schon, ich glaube, Johannes der 23. war eben dieser Öffnungspapst,
00:13:18: der, ich glaube, dass wir viele Dinge heute nicht mehr diskutieren würden,
00:13:21: wenn diese Linie weiter gefahren worden wäre, also sprich diese ganze Dogmatik zum Beispiel,
00:13:27: wollte der ja tatsächlich aus der Lehre weitgehend rausnehmen,
00:13:33: und vor allem die ganze Moraltheologie, die damit zusammenhängt.
00:13:36: Also auf jeden Fall lange Rede kurzer sind, mein Vater war ein großer Fan des zweiten Vatikanums
00:13:41: und dachte, das ist die Lösung für diese Kirchensituation,
00:13:45: dass sie im Prinzip in eine spirituelle Urkirche sich wieder zu hin entwickelt,
00:13:51: wo die Spiritualität, der Glauben und nicht die Macht im Mittelpunkt steht.
00:13:56: Und darüber, da war er auch dementsprechend enttäuscht,
00:14:02: dass das nicht so weiterging und hat aber trotzdem natürlich
00:14:07: sich nichts nie überlegt, ob er aus der Kirche austritt oder solche Dinge, das nie.
00:14:13: Das kam gar nicht in seinem Horizont vor, oder so, weil er aus der,
00:14:16: konnte er sich das gar nicht vorstellen, oder warum hat er sich das nie überlegt?
00:14:19: Ich glaube, er hängt dieser Idee nach, dass man Dinge nur verändern kann von innen heraus.
00:14:25: Dass man, wenn man rausgeht, kann man sowieso nichts mehr machen
00:14:28: und dann darf man auch nicht mehr drüber schimpfen.
00:14:33: Ich finde, wenn man ihr Buch liest, dann, oder ich, mir ging es so,
00:14:37: dass ich die Beschreibung von der Beziehung zu ihrem Vater sehr zärtlich fand.
00:14:43: Also, Sie haben sehr zärtlich über ihn geschrieben, meinem Empfinden nach.
00:14:46: Und das steht so ein bisschen im Kontrast zu dem, wie Sie es ja auch gerade schon angedeutet haben,
00:14:51: dass er auch ein harter Mann war, der im Patriarch, der hart durchgreifen konnte,
00:14:55: sehr streng war. Sie beschreiben ihn auch als sehr streng in der Jugend.
00:14:58: Und das haben Sie ja auch gerade schon angedeutet, dass er sie auch geschlagen hat.
00:15:02: Also, dass es körperliche Gewalt gab, die auch nicht ganz, nicht nur so ein bisschen war,
00:15:06: sondern schon heftig war. So kriegt man zumindest den Eindruck.
00:15:09: Und trotzdem haben Sie ja eben die Kraft oder die Möglichkeit gefunden,
00:15:13: so zärtlich über ihn zu schreiben. Vielleicht können Sie erklären, wie das dazu kam.
00:15:17: Also, erstens mal hat mein Vater in seiner typischen, konsequenten Art,
00:15:22: hat sich unser Verhältnis schon relativ früh komplett verändert, nämlich nach meinem 18. Geburtstag.
00:15:28: Mein Vater hatte diese Theorie, bis 18 muss man den Jungen erziehen,
00:15:32: und dann, was man bis dahin nicht hingekriegt hat, kriegt man eh nicht mehr hin,
00:15:36: und dann lässt man ihn quasi frei.
00:15:38: Also, deswegen muss ich immer dazusagen,
00:15:42: dass unser Verhältnis quasi ab dem Zeitpunkt, wo ich erwachsen war, auch vor dem Gesetz,
00:15:46: war das kein problematisches Meer.
00:15:49: Es waren nur viele unausgesprochene Dinge noch.
00:15:52: Und eines der unausgesprochene Dingen war eben, dass er sich nicht im Griff hatte,
00:15:57: so möchte ich es mal formulieren, das Äfteren.
00:16:00: Und ich habe das so ein bisschen mit mir rumgetragen,
00:16:03: und habe mir dann so 40, ungefähr, roundabout,
00:16:10: habe ich ihn dann doch gestellt zu diesem Thema,
00:16:14: und habe immer gesagt, dass mir das auch Probleme bereitet hat in meinem Leben.
00:16:19: Also, dass ich überhaupt nicht die Theorie vertrete, das hat uns nicht geschadet,
00:16:23: sondern ich habe schon die Theorie vertretet, dass es einem schadet,
00:16:27: und dass man da schon ein Selbstliebethema auch hat,
00:16:31: wenn man durch Strenge und Gewalt geht,
00:16:35: und keine Augenhöhe erlebt, und keine Emotionalität oder zu wenig,
00:16:40: dass das was mit einem macht.
00:16:42: Und ich habe ihm das versucht zu erklären.
00:16:44: Und dann hat er sich bei mir entschuldigt.
00:16:47: Und das Rechne habe ich einfach wahnsinnig hoch angerechnet,
00:16:51: weil ich das wahnsinnig schwierig, das kennt ja jeder aus seinem Leben,
00:16:55: wenn man so Kapitalfehler macht, sich dafür zu entschuldigen,
00:16:58: und sich einzugestehen, dass man es wirklich verkackt hat.
00:17:02: Das ist nicht so einfach.
00:17:04: Und das hat er aber gemacht, und dann habe ich mir,
00:17:07: aber ich weiß noch genau, dass ich mir dachte,
00:17:09: ich habe über das Wort Entschuldigung nachgedacht,
00:17:12: und das heißt ja Entschulden,
00:17:15: heißt ja, dass die Schuld nicht mehr existiert.
00:17:18: Das heißt, dass man sie vergisst, sondern dass sie wirklich ausgelöscht ist.
00:17:22: Und dann kommt man zu dem Begriff "Verzeihen".
00:17:26: Und ich habe ihm das einfach komplett verziehen.
00:17:29: Es ist für mich in unserem Verhältnis ab diesem Zeitpunkt
00:17:33: nicht kein Thema mehr gewesen.
00:17:35: Und dadurch auch in meinem Leben kein Thema mehr gewesen,
00:17:40: weil es einfach wirklich befriedet war dadurch.
00:17:43: Und ich, das nur jedem empfehlen kann,
00:17:47: in fast allen Eltern-Kind-Beziehungen unausgesprochen
00:17:51: oder unglücklich gelaufene Dinge,
00:17:53: man sollte sie ansprechen,
00:17:55: man sollte sie aber in erster Linie verzeihen,
00:17:58: weil sonst geht es ja immer weiter.
00:18:01: Also man macht ja mit seinen eigenen Kindern dann wieder weiter,
00:18:04: wenn man seine eigenen Sachen nicht geklärt hat
00:18:07: und nicht in die Liebe geht, sage ich jetzt mal,
00:18:10: sondern eben in dieser Härte bleibt, dann ändert sich nichts.
00:18:14: Und das fand ich,
00:18:16: darum habe ich mich bemüht und mich gekümmert in meinem Leben
00:18:20: und bin sehr glückt.
00:18:22: Und das hat es ermöglicht, quasi,
00:18:24: dass wir dann seinem Lebensende zu
00:18:27: in ein sehr liebevolles, sehr zärtliches,
00:18:29: sehr nahes Verhältnis von meiner Seite
00:18:31: und eher in seinen Möglichkeiten wohlgemerkt
00:18:34: auch in ein sehr liebevolles, zärtliches Verhältnis gewechselt sind.
00:18:40: Ich habe mir hier aufgeschrieben,
00:18:42: die eine Stelle, wie Sie das im Buch beschreiben,
00:18:45: ich lese mal den einen Satz vor,
00:18:47: ich sprache ihn schüchtern an
00:18:49: und dann versuchten wir, unbeholfen zu reden
00:18:51: über seine Ausbrüche, über die ausgeübtige Wald an mir,
00:18:54: die so gar nicht zum sonst humanistisch-christlichen
00:18:56: Welterklärer passten.
00:18:58: Ich wollte trotzdem nochmal nachfragen,
00:19:00: wissen Sie noch, was Sie gesagt haben,
00:19:02: weil ich glaube, dass das wirklich für viele Leute interessant,
00:19:05: weil es eben so schwierig ist, so was zu machen.
00:19:07: Wie haben Sie das Gespräch angefangen oder eingeleitet?
00:19:10: Ich weiß es tatsächlich nicht mehr genau,
00:19:12: ich glaube, dass das wahnsinnig intuitiv lief.
00:19:15: Also das würde, das stützen,
00:19:17: dass ich mich an den genauen Ablauf gar nicht erinnern kann.
00:19:21: Ich weiß nur noch, dass die Situation,
00:19:23: ich weiß die Situation noch,
00:19:25: er wollte, dass ich irgendein Video aufnehmen,
00:19:28: zu entweder einem Geburtstag meiner Mutter
00:19:30: oder irgendeinem Hochzeitstag.
00:19:32: Also er wollte sich quasi positiv darstellen.
00:19:36: Und ich weiß, dass das in mir ausgelöst hat,
00:19:39: dass ich so, dass ich plötzlich wütend war.
00:19:42: Dass ich mir gedacht habe, jetzt stelle dich du mal nicht so toll hin.
00:19:45: Da gibt es was, darum weißt du, darum weiss ich.
00:19:48: Das kann ich jetzt nicht.
00:19:50: Ich kann jetzt nichts zu tun, also wirst du das supergei irgendwie.
00:19:54: Bevor wir das nicht geklärt haben, das weiß ich noch.
00:19:58: Wie ist dann genau abliefern, kann ich echt nicht sagen.
00:20:02: Ich glaube, es war ein intuitiver Vorgang
00:20:04: und ich habe es wahrscheinlich so, wie ich mich kenne
00:20:06: oder einschätze, relativ brachial gemacht.
00:20:08: Ich habe einfach wahrscheinlich wirklich gesagt,
00:20:10: du pass mal auf, das machen wir jetzt ganz anders.
00:20:12: Jetzt sagen wir erstmal, dass das echt scheiße war.
00:20:16: Und ich vermute, so wird es fast gewesen sein.
00:20:20: Und er war dann, wissen Sie noch, wie er reagiert hat,
00:20:23: ob er dann davon irgendwie erstmal überrascht war
00:20:25: oder getroffen oder ob es ihn vielleicht,
00:20:27: ob man so die Schamensröte ins Gesicht gestiegen ist oder sowas.
00:20:30: Jetzt kommt die Werbung.
00:20:33: Kennen Sie Christmohn eigentlich schon?
00:20:35: Bei uns dreht sich alles um das Leben.
00:20:37: Leute und Leid, Glück und Unglück, immer mit dem Blick auf Lösungen.
00:20:40: Mut zum Leben, das ist Christmohn.
00:20:42: Wenn Ihnen das gefällt und wenn Ihnen dieser Podcast gefällt,
00:20:45: werden Sie Digitalaggon nennt.
00:20:47: christmohn.de/doppeltgut.
00:20:49: Christmohn.de/doppeltgut.
00:20:52: Also erstens war ich glaube ich nicht, dass er davon getroffen war,
00:20:57: weil ich glaube, dass das in ihm gearbeitet hat.
00:21:00: Also ich bin jetzt da nicht in was reingestoßen,
00:21:03: was er irgendwie verdrängt hätte.
00:21:05: Ich weiß nur, dass er sehr ernst wurde,
00:21:09: dass er den Blick auch gesenkt hat und mich erstmal nicht anschauen konnte.
00:21:13: Und dann so einen kurzen Erklärungsversuch gestartet hat,
00:21:20: wo er dann gemerkt hat, darum geht es jetzt gar nicht,
00:21:24: sondern er ist dann wirklich relativ schnell dazugekommen,
00:21:29: dass er sich einfach versucht hat zu entschuldigen.
00:21:31: Und das war auch erst unbeholfen.
00:21:34: Und bis es dann zu diesem Satz kam,
00:21:38: ist ich entschuldige mich, also erst nicht,
00:21:40: es tut mir leid, sondern ich entschuldige mich,
00:21:42: was ja Unterschied ist.
00:21:44: Das hat sicher ein bisschen gedauert.
00:21:46: Aber ich habe schon das gut, dass Sie das ansprechen,
00:21:49: weil ich mir, das habe ich nämlich erst verkürzen wieder dran gedacht
00:21:53: an diesem Moment oder versucht, den mir herzuholen.
00:21:56: Und mir wurde irgendwie klar,
00:21:58: dass er wirklich überrascht war dann nicht von dieser Konfrontation.
00:22:03: Ich stelle mir so vor, dass Sie ihm dann verzeihen konnten,
00:22:07: auch was damit zu tun hatte, was er dann gesagt hat.
00:22:10: Sie haben jetzt schon gesagt, er hat gesagt, ich entschuldige mich.
00:22:13: Und dass es einen Unterschied macht, ob man Entschuldigung sagt
00:22:17: oder es tut mir leid, weil das ja dann wahrscheinlich durfte auch kein Aber folgen.
00:22:22: Oder weil oft sagt man, ich entschuldige mich Aber
00:22:24: und versuch es sich dann doch zu erklären.
00:22:26: So wie ich Sie jetzt verstehe, komplett gelassen.
00:22:29: Genau, das hat er vorgeschoben erst.
00:22:32: Das ist ja auch verständlich, also Entschuldigung.
00:22:35: Mir ist das schon klar.
00:22:37: Ich habe mir auch schon paar Mal entschuldigt in meinem Leben
00:22:39: und ich weiß, wie schwierig das ist.
00:22:41: Aber als er dann an dem Punkt war, und er war ja alles andere als dumm
00:22:46: und er wusste sehr genau, dass das mit mir auch nicht geht.
00:22:51: Der hat jetzt irgendwie durchzulavieren.
00:22:54: Und dann hat er es irgendwann kapiert und er gesagt,
00:22:57: jetzt hau ich das einfach raus.
00:22:59: Und dann ist es hoffentlich, dann ist auf jeden Fall was anders.
00:23:03: Es wird sich auf jeden Fall anders anfühlen als vorher.
00:23:06: Und so war es ja dann auch.
00:23:08: Ich finde, wie gesagt, diese Stelle zwischen Ihnen und Ihrem Vater
00:23:11: und dieses, sage ich mal, nicht neu anlaufen der Beziehung,
00:23:14: aber zumindest diesen Umbruch in die Beziehung,
00:23:16: wenn man zumindest als Leser den Eindruck bekommt,
00:23:19: finde ich, gibt dem ganzen Buch so ein, ja, so was Gutes.
00:23:23: Also dadurch wird die ganze Geschichte, die dann ja zwar mit dem Tod endet,
00:23:27: aber natürlich auch mit dem Tod eines alten Mannes,
00:23:29: irgendwie wird es zu einer guten Geschichte.
00:23:32: Ja, aber das ist auch so ein, das meine ich eben,
00:23:35: was ich vorhin schon angedeutet habe,
00:23:37: dass ich glaube, dass das total wichtig ist
00:23:39: und auch ein Mutmacher sein soll, dieses Buch.
00:23:42: Sich diesen Themen gemeinsam im Aktiven
00:23:48: und reflektorisch wachen Zustand nochmal zu stellen gemeinsam,
00:23:55: weil ich glaube, dass einfach was sehr Gutes daraus entstehen kann.
00:23:59: Haben Sie denn mit Ihrer Mutter auch darüber gesprochen,
00:24:01: über diese Situation mit dem Schlagen Ihres Vaters?
00:24:05: Ja, meine Mutter hat vollkommen recht mit dem, was sie darüber gesagt hat,
00:24:11: aber das hat mir nicht geholfen, weil sie gesagt,
00:24:14: dass das eigentlich aus einer Angst kam.
00:24:18: Also es war eine Überforderung natürlich
00:24:20: und es war aber auch eine Angst, die er nicht kanalisieren konnte
00:24:24: und das hat sie zwar erkannt, hat mit ihm, das weiß ich auch,
00:24:28: ordentlich Beef gehabt wegen diesem Thema, also sie fand es nicht gut,
00:24:33: aber sie hat auch jetzt nicht das Ding explodieren lassen,
00:24:36: weil sie wusste, wo es bei ihm herkommt.
00:24:40: Also erstens hat er selber nie anders erlebt.
00:24:42: Zweitens, die denken wir bitte alle die Zeit und die Generation.
00:24:48: Ja, es ist ja in heutigen Diskussionen oft verschwindet das,
00:24:52: dass man denkt immer, man kann die Vergangenheit
00:24:54: außer Gegenwart beurteilen und dann schön harte Urteile fällen,
00:24:58: aber das ist ja...
00:24:59: Also Urteil steht einem sowieso, finde ich, nur ganz, ganz schwer zu,
00:25:03: außer bei SS-Wächtern von Konzentrationslagern,
00:25:08: wo einem sehr wohl ein Urteil zusteht,
00:25:10: weil das musste man ja nicht machen.
00:25:12: Ich tue mich wahnsinnig schwer mit der moralischen Beurteilung von Leuten,
00:25:15: die eine komplett andere Sozialisation und moralische Prägung haben,
00:25:20: als wir das haben.
00:25:21: Und man sieht ja jetzt, wie brüchig moralische Tendenzen sind,
00:25:27: sobald sich Gesellschaft wieder verändert.
00:25:29: Also gerade wir sollten da ganz vorsichtig sein mit Urteilen.
00:25:33: Aber man muss es trotzdem ja nicht...
00:25:35: Es ist trotzdem Scheiße, es ist trotzdem nicht gut.
00:25:38: Aber meine Mutter hat das Wichs, um darauf zurückzukommen,
00:25:40: versucht es zu erklären aus dieser Angst heraus
00:25:43: und hat dann quasi versucht, es zu kompensieren durch eine Überliebe.
00:25:51: Also, ich glaube, das, was er nicht hatte, versucht zu verdoppeln
00:25:54: und war eine wahnsinnig liebevolle Mutter ihrer Leben lang.
00:25:57: Ich finde schon trotzdem noch eine interessante Frage,
00:25:59: die mir jetzt bei dem, was Sie gesagt haben, kam.
00:26:02: Weil wenn wir über Leute in der Vergangenheit sprechen, was sich diese komische Frage war,
00:26:06: kannte ein Rassist oder sowas, dann denkt man, naja gut, das war damals die Zeit und
00:26:11: dann versucht man das irgendwie von heute zu beurteilen.
00:26:13: Dann spielt ja auch immer die Frage eine Rolle, hätte er es eigentlich anders sehen
00:26:17: können, hätte er es auch besser verstehen können damals schon.
00:26:20: Und Sie haben ja gesagt, es hat gar nichts zu ihm gepasst und Sie hatten das Gefühl,
00:26:24: dass er auch damals gewusst hat irgendwie, dass es nicht richtig ist.
00:26:28: Und das ist dann, finde ich, wenn man versucht die Vergangenheit zu verstehen, hier auf zum
00:26:33: Punkt.
00:26:34: Weil man kann sich ja auch gut vorstellen, wenn man nochmal 100 Jahre früher, wenn Väter
00:26:39: ihre Kinder geschlagen haben, dass sie nicht gedacht haben, dass das falsch ist, sondern
00:26:42: dass sie auch dachten, dass es einfach richtig ist.
00:26:44: Ja, ich glaube, er war in so einem Zwischensicht auf das Thema.
00:26:50: Auf der einen Seite hatte, ich habe ja in dem Buch auch den Ausdruck verwendet, Ultima
00:26:56: Ratio.
00:26:57: Es war so das letzte Ding, wenn er nicht mehr weiterkam, was soll man jetzt tun?
00:27:02: Soll man praktisch die Macht abgeben an das Kind?
00:27:06: Und das konnte er halt nicht.
00:27:08: Das war, glaube ich, wenn man es jetzt philosophisch betrachtet, der Spin, den er nicht hingekriegt
00:27:13: hat.
00:27:14: Man darf quasi einem heranwachsenden Jüngling nicht die Macht übertragen, weil ab da wird
00:27:20: er ein schlechter Mensch.
00:27:22: Und das, glaube ich, war sein Widerspruch, dass er hatte keinen Plan B für die Situation,
00:27:31: wie geht man um mit Lügen, z.B. mit Lügen von einem jungen Menschen, der für sich
00:27:38: keinen anderen Ausweg sieht, als ihn anzulügen.
00:27:40: Oder der ihn natürlich auch austestet, der ihn natürlich auch provoziert, um Gottes Willen.
00:27:45: Also ich war schon auch ein Kaliber.
00:27:47: Ich denke, ich habe heute noch meine schlechten Eigenschaften, habe ich damals ordentlich
00:27:56: mal an ihm ausgetestet.
00:27:57: Er hat ja auch, fällt mir jetzt nur gerade ein, mein Vater ist jahrgang 49 und der ist
00:28:03: also sozusagen 20 Jahre jünger oder 20 Jahre, habe ich jetzt richtig rechnet.
00:28:06: Und als der in die Schule ging, also am Anfang seiner Gymnasiastzeit, durfte man als Kind
00:28:12: noch geschlagen werden.
00:28:13: Als ihr Vater dann Lehrer war, ich weiß nicht, da war das gerade zu Ende oder war gerade
00:28:19: vielleicht noch so, dass man es sogar als Pädagoge sogar sollte oder durfte.
00:28:24: Ja, lustigerweise oder was heißt lustigerweise nicht, aber in der Schule und ich glaube,
00:28:29: das war auch Teil seines Problems, verfügte er über so eine Autorität, dass er das gar
00:28:35: nicht nötig hatte.
00:28:36: Also der war so Outstanding für Schüler, dass er es da gar nicht nötig hatte.
00:28:42: Das war ja auch, was ihn zur Verzweiflung gebracht hat.
00:28:45: Warum gelingt mir das bei 30, 50, 70 Jugendlichen das gleiche Alters und bei dieser Kreatur,
00:28:53: die da vor mir steht, gelingt es mir nicht.
00:28:56: Das hat er glaube ich nicht gepackt einfach.
00:28:57: Das hat er nicht zusammengekriegt.
00:28:59: Jetzt ist er ja 2022 im Oktober verstorben, wie wir schon gesagt haben.
00:29:03: Und das ist ich dann ja, darüber haben wir ja auch gerade schon geredet, die Beziehung
00:29:08: am Ende doch sehr nah und auch ähnlich.
00:29:11: Was, wenn Sie jetzt über ihn nachdenken, haben Sie noch irgendwie einen innerlichen Kontakt
00:29:16: zu ihm oder ist er ganz weg?
00:29:18: Nee, ich habe natürlich einen inneren Kontakt schon allein, weil ich mich ja damit ausgibbig
00:29:25: jetzt beschäftigt habe.
00:29:26: Also ich glaube, es gibt wenig, die den Kontakt so halten können über so eine lange Zeit,
00:29:31: weil ich jetzt irgendwie erst das Buch geschrieben habe und seit das Buch heraus ist, nahezu täglich
00:29:35: drüber spreche in irgendeiner Form.
00:29:38: Und ich träume auch von ihm, also dass er noch lebt, träumen so Situationen und die
00:29:43: werden aber und das ist total gut, psychologisch super, weil ich daran erkenne, dass die Trauerarbeit
00:29:49: wohl funktioniert.
00:29:50: Die Geschichten werden immer positiver.
00:29:52: Also ich habe vor kurzem einfach eine wahnsinnig lustige Anekdote an die ich mich jetzt nicht
00:29:56: mehr genau erinnern kann, geträumt mit ihm, aber da ging es lustig zu und es wurde gelacht
00:30:01: so und ich denke mir, okay, die Erinnerung, ich hatte wie die meisten Menschen das Problem
00:30:07: nachdem er tot war, dass ich erst, dass dieser Sterbeprozess und das Allzeichen von diesen
00:30:14: Menschen so präsent war, dass ich ihn als jungen Vater oder Mann gar nicht mehr erinnern
00:30:20: konnte.
00:30:21: Und das kommt aber jetzt wieder.
00:30:23: Also ich erkanne mich jetzt so an Situationen erinnern, wo wir im Urlaub waren oder so.
00:30:27: Also er hat immer noch eine Präsenz dank dem gemeinsamen Hobby des Schwammalsuchens,
00:30:33: Pilzesuchens.
00:30:34: Und denke ich immer, wenn ich im Wald bin sowieso an ihn und an das, wie wir so da waren.
00:30:40: Also ich habe tatsächlich eine schöne, ich habe ihn schön bei mir und habe ihn sowieso
00:30:46: natürlich auch in mir.
00:30:47: Also das wird mir auch immer mehr bewusst, dass Prägung ja etwas ist, was bleibt und
00:30:53: mit dem du dich tunlichst weiter beschäftigen solltest, damit die Prägung nicht überhand
00:30:59: nimmt, sondern du schon auch dein eigenes Leben definierst und wie du es einwillst und
00:31:04: wie du dich positionierst.
00:31:05: Aber das ist ein spannender Prozess, der wahrscheinlich nie aufhört.
00:31:08: Jetzt haben sie das Schwammalsuchen angesprochen, also das Pilze-Sammeln ist vielleicht ein guter
00:31:13: Zeitpunkt, um den schönen Titel des Buches zu erklären.
00:31:15: Ein Steinpilz für die Ewigkeit.
00:31:17: Was hat es mit diesem Steinpilz auf sich?
00:31:19: Das mit dem Steinpilz ist so gewesen, dass ich nach, also ich habe, wir hatten diese gemeinsame
00:31:26: Geschichte mit dem Pilze suchen und also dann erstab er im Herbst, das ist also Hochzeit,
00:31:32: der Schwammalzeit und ich habe in dem ersten, also wo es so los ging, mit dem Ende quasi,
00:31:39: habe ich ihm so aus dem Wald immer Pilze mitgebracht, unter die Nase gehalten und habe so festgestellt,
00:31:43: er reagiert total auf diesen Geruch von Steinpilzen, von Wald und so weiter.
00:31:48: Und als er dann gestorben war, war ich ihn so am, also den Anruf bekommen hatte, war
00:31:52: ich ihn so am Trance zustand und wusste nicht recht, was ich jetzt machen soll.
00:31:55: Und bin dann in den Wald gefahren und habe einen Steinpilz gefunden und habe mir gedacht,
00:31:59: ich bringe ihn jetzt einfach mit auf seine letzte Reise und habe ihm dann in die toten
00:32:04: Hände diesen Steinpilz gelegt und ihm quasi als Grabbeigabe mitgeschickt.
00:32:09: Und das finde ich bis heute ein berührenden Vorgang und deswegen heißt auch das Buch so,
00:32:16: weil, ja, weil eben ein Steinpilz für die Ewigkeit und der Circle of Life, das etwas wächst
00:32:23: wie so ein Pilz und dann halt mit dem Tod alles endet und aber eben doch nicht, weil Natur
00:32:28: ja daraus besteht, dass alles wieder daraus entsteht.
00:32:32: Das fand ich einfach ein tröstliches und gutes Bild für mich und für uns.
00:32:40: Es hat einfach zu uns gepasst.
00:32:41: Jetzt haben Sie schon den Moment erwähnt, als Sie dann in das Zimmer gegangen sind,
00:32:45: wo Ihr toter Vater lag und dann haben Sie ihm ja diesen Pilz dann eben auch in die Hände
00:32:49: gelegt oder in seine toten Hände und da will ich nochmal einen Satz vorlesen, den ich
00:32:55: mir aufgeschrieben habe.
00:32:56: Sie schreiben da, ich hatte nur ein einziges Gefühl, als ich in diesen Raum kam.
00:33:00: Er ist nicht mehr da, einer der spirituellsten Momente meines bisherigen Lebens, wenn man
00:33:05: so will.
00:33:06: Er war einfach weg.
00:33:07: Dieser Körper, auf den ich jetzt zuging, das war nicht er.
00:33:11: Was meinen Sie mit "spirituell"?
00:33:13: Was war in diesem Moment so spirituell?
00:33:15: So wie ich es geschrieben habe, meine ich es tatsächlich wortwörtlich.
00:33:19: Ich habe einfach dieses Gefühl gehabt, er ist nicht mehr da.
00:33:23: Diese Hülle, die da liegt, ist nicht er.
00:33:26: Also im Umkehrschluss ist er existiert noch, aber ist nicht mehr hier.
00:33:32: Das war, das glaube ich, um es auf den Punkt zu bringen.
00:33:36: Ich hatte plötzlich diese Gewissheit auf irgendeine Art von Transformation und nicht von
00:33:43: Ende.
00:33:44: Und ich habe keine wirklich spirituelle, genaue Idee davon.
00:33:48: Das habe ich auch gemerkt, aber es war wie die Erkenntnis einer Dimension, auf die man
00:33:55: keinen Zugriff hat als kleines Menschlein.
00:33:58: Aber das, das nicht, das war für mich total unlogisch, dadurch zu denken, das ist jetzt
00:34:05: das Ende.
00:34:06: Weil sonst hätte ich das Ende so empfunden, der Körper ist tot, also ist jetzt Ende.
00:34:09: Das habe ich aber nicht empfunden.
00:34:11: Ich habe empfunden, der Körper ist hier und der ist egal, im Endeffekt, sondern diese
00:34:15: Seele hat diesen Körper verlassen und ist in irgendeiner Form in dieses Universum transformiert.
00:34:21: Er ist zwar tot, aber existiert noch.
00:34:24: Das war einfach ein Gefühl oder haben Sie, das ist ja eigentlich das Interessante, dass
00:34:28: er noch existiert.
00:34:29: Wie hat sich das, woher wussten Sie das?
00:34:31: Wie haben Sie das gespürt?
00:34:32: Ich glaube, es geht darum, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass man diese, das was da
00:34:39: nennt, wir mal jetzt einfach Seele oder die Person, die Persönlichkeit, die Seele, dass
00:34:46: die in dieser Eigenheit, die jeder Mensch hat, dass die ist wie so, also ich habe ja
00:34:53: auch geschrieben, dass die Türen so offen waren und draußen war der Garten und es war
00:34:57: so ein schöner Herbsttag und es hatte schon dieses Gefühl, dass was entschwebt.
00:35:03: Und dann erzähle ich auch von diesem Brauch, dass es in südamerikanischen Ländern gibt
00:35:09: diesen Brauch, dass man auf jeden Fall alles offen stehen lassen muss, wenn Menschen sterben,
00:35:14: damit diese Seele da auch raus kann und nicht praktisch gefangen bleibt in diesen von Menschen
00:35:20: geschaffenen Räumen oder im Körper gefangen bleibt.
00:35:24: Mehr Erklärung gibt es dazu nicht, weil es ein spirituelles Gefühl ist oder ein spiritueller
00:35:30: Vorgang, der mich ja selber so beeindruckt nach wie vor, weil ich ja das gar nicht erwartet
00:35:36: habe.
00:35:37: Ich habe erwartet, dass ich das, wenn ich diesen toten Körper sehe und mein Vater
00:35:41: da tot liegt, dass ich das als Endpunkt postuliere in meinem Leben und dann ab dem Zeitpunkt damit
00:35:48: zu tun habe Erinnerung zu kreieren.
00:35:52: Aber das war nicht so.
00:35:54: Das war nicht so und das finde ich bis heute auf irgendeine Art sogar beruhigend.
00:36:00: Weil man hätte ja auch sagen, man hätte ja auch denken können, dass es irgendwie ein
00:36:05: deprimierender Moment ist, dass dieses Er ist nicht mehr da.
00:36:08: Das war gar nicht.
00:36:09: Das war gar nicht.
00:36:10: Das mich hat es total beruhigt, dass ich das Gefühl hatte, er ist nicht mehr da, weil
00:36:14: ich diesen toten Körper was wahnsinnig uninteressantes fand.
00:36:19: Also ich fand das überhaupt, ich fand das auch nicht erschreckend oder sonst irgendwas.
00:36:23: Ich fand das nur wahnsinnig uninteressant.
00:36:25: Das war auch so krass, weil der lag ja noch den ganzen Tag bei uns und wir haben uns drum
00:36:31: herum, wir haben Kaffee getrunken, wir haben uns unterhalten und er lag da daneben.
00:36:35: Und das hatte aber nicht keinen Schrecken.
00:36:38: Das müsste es aber haben, wenn sich an dieser Stelle quasi die Endlichkeit postulieren würde,
00:36:48: dann würdest du das ja nicht können.
00:36:50: Also ich würde es sicher nicht können.
00:36:51: Und so war das, es war tatsächlich auf eine Art ein friedlicher Moment.
00:36:56: Aber sie schreiben dann, dass ihre Mutter sozusagen dann als der Leichnam rausgetragen
00:37:01: wurde und er wirklich weg ist, also sozusagen auch der Körper weg war, dass doch nochmal
00:37:06: auch ein schwerer Moment war.
00:37:07: Ja, ich glaube, weil da einfach da greift die Tatsache, dass wir Menschen, optische Menschen
00:37:13: sind und dass du ab dem Zeitpunkt eben mit Erinnerung arbeiten musst, was das aussehen,
00:37:22: also diesen Körper, den du ja als Ehefrau auch dein Leben lang berührt hast und so weiter,
00:37:29: dass der jetzt wirklich geht, das ist und die Optik praktisch zu Ende geht, dass du
00:37:35: die nie mehr sehen wirst.
00:37:36: Also das ist dann der Abschiedsmoment.
00:37:39: Das war für meine Mutter heftig einfach, weil es einfach nach über fast 70 Jahren gemeinsamen
00:37:47: Lebensweise, sie sieht den jetzt nicht mehr.
00:37:50: Aber das ist ein, ich halte das für ein nachvollziehbarer Moment und das wird, ich glaube, ich gehe
00:38:00: jedem so, aber für mich war der Moment nicht schwierig.
00:38:05: In dem nächsten Kapitel von der Stelle, über die wir jetzt gerade gesprochen haben, schreiben
00:38:09: Sie dann, dass eben dieser Moment dazu geführt hat, dass Sie noch weniger als früher an
00:38:13: das einfach vorbeiklauben konnten.
00:38:15: Ja.
00:38:16: Wenn Sie mich zu mir richtig aufgeschrieben haben, schreiben Sie ja schon auch "glauben
00:38:19: konnten".
00:38:20: Deswegen würde es mich interessieren, dass Sie ja auch aus der Katholische Kirche ausgetreten
00:38:23: sind, das haben Sie mal in einem Interview erzählt, habe ich gelesen.
00:38:26: Können Sie es irgendwie, haben Sie einen, sozusagen auch einen positiven Begriff für
00:38:30: das an, was Sie glauben oder ist es nur, dass einen nicht glauben an das einfach vorbei?
00:38:35: Nein, ich kann schon.
00:38:37: Also ich persönlich glaube an Energie.
00:38:41: Ich glaube, dass alles energetisch zusammenhängt oder eben sich energetisch trennt oder Dimensionen
00:38:48: sich verändern.
00:38:49: Ich meine, wenn allein in unserem Jahrhundert haben wir die Erkenntnis dazu gewonnen, dass
00:38:54: es mehrere Dimensionen gibt und das wissen wir jetzt und dass wir vielleicht, dass es
00:38:59: Quantenphysik gibt, wissen wir, dass es alles mögliche Dinge an Gwingen gibt.
00:39:03: Und ich halte es auch für unlogisch, das vorbei sein, weil die Natur zum Beispiel ja schon
00:39:10: so nicht funktioniert.
00:39:12: In der Natur ist nie etwas weg, sondern es transformiert.
00:39:16: Also wenn wir Teil der Natur, selbst wenn wir einfach Teil der Natur sind, ganz banal
00:39:21: gesprochen, sind wir auch nie weg.
00:39:24: Dann sind wir halt irgendwann Teil eines Blattes oder Teil einer Erde oder sonst irgendwas,
00:39:29: aber wir sind nicht weg.
00:39:30: Ich habe trotzdem eine spirituelle Idee von Leben, dass ich nicht glaube, dass ich glaube
00:39:39: einfach nicht, dass wir verschwinden und ich glaube, dass wir mit unserer Energie, unserer
00:39:44: Liebe und unseren Gefühlen nicht nur bei den Menschen, denen wir begehen, was hinterlassen,
00:39:51: sondern dass wir das Kosmisch hinterlassen.
00:39:53: Und ich glaube, dass das die crux der Menschheit ist, dass eben die Ambivalenz stets bleibt.
00:40:00: Also dass viel schlechter Energie unterwegs ist und halt gute Energie.
00:40:04: Und die kämpfen quasi Generation für Generation, kämpfen die miteinander und jeder versucht
00:40:10: irgendwie sich durchzusetzen.
00:40:11: Es wird solange es Menschen gibt, nicht gelingen, weil es halt beides gibt, weil es halt ambivalent
00:40:16: ist.
00:40:17: Weil es, wenn man es jetzt mal, deswegen finde ich ja die christliche Idee, also als philosophische
00:40:22: Idee so genial, weil es halt das Adam und Eva und das Kein und Abel Prinzip quasi zieht
00:40:28: sich halt einfach durch.
00:40:30: Was halt ein gutes Bild für die Ambivalenz des Lebens ist und für die Verführung und
00:40:35: für die Macht und für all die Negativbegriffe, die nun mal mit den Menschen zusammenhängen
00:40:41: und die in der Natur ja auch vorkommen.
00:40:43: Ich meine, bei jedem Tier weiß man, Fressen und Gefressen werden und also immer auch positiv,
00:40:51: negativ, Leid, Macht, Gier, Angst, all diese ambivalenten Begriffe kämpfen halt permanent
00:41:01: um die Vormachtstellung, sage ich jetzt mal.
00:41:03: Aber das individuelle Leben ist trotzdem zu Ende mit dem Tod in ihrer Vorstellung?
00:41:08: Das weiß ich, ich glaube, das sind mir zu klein gesprungen einfach.
00:41:13: Die Idee von diesem individuellen Leben halte ich für eine leicht nazistische Idee.
00:41:21: Das ist nicht so wichtig hier einfach.
00:41:23: Ja, man macht sich wahnsinnig wichtig, wenn man das postuliert, finde ich.
00:41:27: Aber ihr könnt ja nicht anders, oder?
00:41:30: Wir sind ja auch gezwungen irgendwie in unserem Ich zu bleiben, weil wir da zu eingesperrt
00:41:35: sind.
00:41:36: Ich finde, das wäre genau die Leistung eines Lebens zu sagen, was für ein Geschenk, dass
00:41:45: ich mich als Individuum fühlen kann und denken kann.
00:41:51: Aber wie wurscht und wie egal, ob das in 400 Jahren noch irgendwo rumwabert oder in einer
00:41:57: anderen Galaxie oder in einem Paradies oder in einer Hölle.
00:42:02: Das Paradies und Hölle ist ja auch wieder die Ambivalenz erklärt quasi.
00:42:07: Wir müssen die Ambivalenz ins Jenseits transportieren, dass wir es aushalten.
00:42:11: Ich glaube nicht, dass wir so wichtig sind und glaube aber dennoch, dass das alles, was
00:42:23: du, also sagen wir mal Karma, alles, was du tust, an diesem Prozess des energetischen Verbesserns
00:42:29: oder energetischen Verschlechter ins Teil hat, was ja auch wieder eine individuelle Leistung
00:42:34: ist.
00:42:35: Also natürlich verschwindet man dadurch nicht ganz individuell.
00:42:38: Ich habe ja auch gelesen, dass Sie meditieren.
00:42:41: Das kommt auch im Buch vor.
00:42:42: Es wäre ja auch so ein Versuch, zumindest jetzt in meiner Vorstellung, so ein bisschen
00:42:45: das individuelle Hinter sich zu lassen.
00:42:47: Ja, aber weil das total wichtig ist, weil du ja sonst bleibst du, also ich fange mal anders
00:42:53: an, weil mich das mein Lieblingsthema vor Ort ist.
00:42:57: Das Ding ist, wenn du wirklich glaubst, dass du, also dieser Idee, dieses individuellen,
00:43:04: der Wichtigkeit des individuellen würde bedeuten, dass deine Gedanken, die du hast, stimmen.
00:43:10: Das bedeutet immer in Wahrheit, dass der Kopf, das Intellekt entscheidet.
00:43:16: Und erst wenn du dich aber von dieser, und wenn du aber mal, jetzt bin ich jetzt 54,
00:43:22: ich weiß, dass ich aber Denkmuster habe.
00:43:24: Wenn ich mich nicht weiterentwickeln werde, dann werde ich immer mehr das Gleiche denken.
00:43:29: Ich überrasche mich nicht mehr mit meinen Gedanken gängen.
00:43:33: Wenn dann überrasche ich mich mit Emotionen.
00:43:35: Das sind auch individuellen, oder?
00:43:39: Ja, aber sie sind nicht so egoistisch, weil immer mit Gefühlen meistens andere Menschen
00:43:46: irgendwie mitbeteiligt sind, oder Natur, oder das drumherum.
00:43:51: Und dadurch wird es weicher, dadurch wird es durchlässiger, dadurch wird es feiner in
00:43:56: der Energie und nicht in dieser 1+1 ist 2.
00:44:00: 2+2 ist 4.
00:44:01: 4+4 ist 8.
00:44:03: Ja, toll.
00:44:04: Vielen Dank.
00:44:05: Das weiß ich, aber es bringt mich keinen Millimeter weiter.
00:44:08: Und ich glaube, wenn wir weiterkommen wollen, evolutionär und als Menschen, dann tut es
00:44:15: einfach jedem gut, wenn er versucht, aus sich herauszutreten.
00:44:19: Also diesen individuellen, dieser individuelle Superbrain, ich kenne keinen Menschen, der
00:44:25: von sich behauptet, dass er blöd ist.
00:44:27: Sondern jeder hält sich für...
00:44:29: Es gibt aber andere Leute, von denen man behauptet, dass er das nicht will.
00:44:33: Ja, aber das heißt, es ist eine Frage der Perspektive, Ende.
00:44:37: Das bringt uns nicht weiter.
00:44:39: Weiter würde uns bringen, mehr zuzulassen, mehr aus uns rauszutreten, die Position des
00:44:46: anderen mehr zu übernehmen.
00:44:48: Und wenn wir auf uns schauen, dass uns ein Stück weit so aufzulösen, wäre ein großer
00:44:57: Begriff, aber zumindest so durchlässig zu machen, dass wir nicht nur permanent an unserer
00:45:03: individuellen Geilheit hängen.
00:45:06: Oder Schuld, das ist ja die andere.
00:45:09: Es gibt ja beides.
00:45:10: Es gibt ja die, die nazistisch gestört sind und sich für so wichtig halten.
00:45:14: Und die anderen haben das Problem, dass sie sich für so unwichtig halten.
00:45:18: Und so für so klein und für so...
00:45:20: Und das beides ist, glaube ich, nicht gut, sondern Teil davon wäre zu sagen, ich bin
00:45:28: und ich lasse viel mehr zu, mich zu verändern, mich zu entwickeln, mich zu spüren, als ich
00:45:34: das intellektuell oder mit meinen ganzen Mustern von meiner Prägung her kann.
00:45:39: So, das wäre ja die Leistung.
00:45:41: Und meditieren könnte dann ein bisschen so eine Übung darin sein?
00:45:45: Meditieren ist meine Version davon.
00:45:48: Ich weiß, ich bin ja im katholischen Umfeld aufgewachsen und ich kann mich als Ministrant
00:45:54: noch so gut erinnern, wenn ich in der Kirche war und da saßen alte Frauen und haben Rosenkranz
00:46:00: gebetet zum Beispiel.
00:46:01: Ich habe nicht das Gefühl, dass das groß was anderes ist.
00:46:06: Ich glaube, das ist im Prinzip für deinen Zustand relativ gleicher Vorgang.
00:46:12: Alle Religionen haben das.
00:46:14: In Indien ist es halt die älteste Version, ist die Meditation, weil sie nicht kein transzententes
00:46:22: Ziel hat.
00:46:23: Also weil sie nicht wie beim Gebet, wo ja praktisch nach oben gebetet wird und dass
00:46:29: man hofft, dass von oben Lösungen nach unten fließen, sondern beim Meditieren aus der indischen
00:46:36: Tradition ist es einfach, es ist, alles ist und du kannst andocken quasi an diesem universellen
00:46:43: Wissen, an der universellen Liebe und an der, und du kannst deinen Körper und dein Geist
00:46:48: entspannen und dich dadurch besser aufstellen, wenn du meditierst, weil du dadurch nicht
00:46:54: in diesem permanenten Stressmodus bist von funktionieren, anderen gefallen wollen, Leistung
00:47:01: erbringen, sich schuldig fühlen, die ganze Scheiße halt.
00:47:05: Vielen Dank für diese, ja sozusagen nochmal weiterfühlen Ideen.
00:47:10: Ich werde da nochmal auf jeden Fall jetzt im Nachgang des Podcasts nochmal nachdenken,
00:47:14: ob ich dich auch mal meditieren muss.
00:47:16: Ich habe das schon oft versucht und konnte mich irgendwie nie innerlich genug beruhigen
00:47:20: dazu.
00:47:21: Ja, aber das ist, da kann ich noch mal was kurzer zu sagen, weil es kommt immer wieder
00:47:25: von allen, die sagen, sie meditieren nicht.
00:47:28: Darum geht es nicht.
00:47:29: Es geht nicht darum, das zu schaffen.
00:47:31: Allein, wie sie das gerade sagen, es ist kein Sport, sondern es geht darum, das zu beobachten.
00:47:38: Also, sich dabei zu...
00:47:39: Sich selbst dann.
00:47:40: Sich zu beobachten, dass die Birne nicht still hält.
00:47:44: Das heißt, was bei meditieren passiert ist, zumindest bei der Technik, die ich mache,
00:47:48: ist, dass du das denkst, dass du das mitkriegst, dass du das denkst und dass du diese, und
00:47:54: das ist das Ziel.
00:47:55: Das Ziel wäre, die Gedanken, die du währenddessen dich destresst, dass du das nicht schaffst,
00:48:01: die du hast, die wirst du an diesem Tag nicht noch einmal denken.
00:48:05: Also, hast du praktisch einen Waschmaschinen-Effekt erzählt, nämlich die Kacke ist schon
00:48:10: mal gedacht, die ist schon mal weg.
00:48:12: Das heißt aber nicht, dass neue nicht kommen kann, natürlich kann die kommen.
00:48:15: Aber das reicht schon mal, um einen kleinen Prozentsatz von Stress, der im Kopf ist,
00:48:22: schon mal entsorgt zu haben.
00:48:24: Und das verändert dich für den Tag.
00:48:26: Das macht einen anderen, bringt dich zu einem anderen Zugang.
00:48:30: Weil wenn du das nicht machst, kommen diese Gedanken ja auch irgendwann am Tag, aber
00:48:34: sie kommen, wie Jugendliche heute sagen würden, random, irgendwann daher.
00:48:39: Und dann stressen sie dich mehr.
00:48:41: Dessen wollte ich damit nochmal darauf hinweisen.
00:48:44: Nee, das war jetzt auch gar nicht abwert, gemeint so ein ernst meint das.
00:48:48: Aber das ist tatsächlich der Vorgang.
00:48:50: Also, ich bin mir nicht meditier, ich denke oft total viel, ich verliere auch mein Mantra
00:48:56: und mache allen mögliche Dinge.
00:48:58: Aber ich weiß nachher immer, okay, das kommt heute auf jeden Fall nicht nochmal.
00:49:03: Als wir langsam zum Ende kommen, ich wollte noch eine Sache mit Ihnen besprechen.
00:49:08: Und zwar hat meine Mutter, die den Podcast immer hört, gesagt, ich hätte schon so oft
00:49:12: mit Leuten gesprochen, die ein Buch über ihren verstorbenen Vater geschrieben haben.
00:49:16: Aber es hat nie einer ein Buch über seine verstorbene Mutter geschrieben.
00:49:19: Und das war jetzt tatsächlich, es ist tatsächlich so, dass ich das schon öfter hatte, aber
00:49:24: ich habe auch schon danach gesucht, nach Büchern über die verstorbene Mutter.
00:49:28: Und bisher zumindest ist mir keins über den Weg gelaufen, kein aktuelles, was jetzt
00:49:33: ich gut angeboten hätte.
00:49:34: Ich weiß nicht, ich wollte fragen, ob Sie eine Idee haben, ob es da einen Grund gibt
00:49:41: für oder glauben Sie, Ihre Mutter lebt ja zum Glück noch und hoffentlich auch noch
00:49:48: lange, aber hätten wir das auch genauso über seine Mutter schreiben können oder gibt es
00:49:51: da einen Unterschied?
00:49:52: Ich würde jetzt mal vermuten, dass das an einer patriarchalischen Geschichte liegt, dass
00:49:58: die Väter meistens die mächtigere Position haben, mit der man sich auseinandersetzt.
00:50:05: Ich glaube, Mütter sind im positiven Sinne viel mehr gesetzt als Figur der Liebe und
00:50:12: als Versorgungsfigur mit Essen, Trinken, Streichleinheiten.
00:50:17: Und ich glaube, dass das eine Momentaufnahme ist und dass sich das gerade ändert.
00:50:22: Ich würde vermuten, dass wir in fünf bis zehn Jahren die hochinteressanten Bücher über
00:50:27: den Tod von Müttern lesen.
00:50:29: Und ich glaube auch nicht, dass es, ich glaube wirklich, dass es eine patriarchalische Geschichte
00:50:36: ist, dass man, da wo die Macht sitzt, ist auch die Auseinandersetzung und wo die Auseinandersetzung
00:50:42: ist, ist auch die Reflexion.
00:50:44: Und ich glaube, Mütter aus diesen Generationen, die wir jetzt erlebt haben, jetzt erleben
00:50:49: wir ja andere Müttergenerationen.
00:50:51: Aber die wir bisher erlebt haben, die waren halt, waren mit weniger Reibung verbunden,
00:50:58: vermutlich.
00:50:59: Wenn jemand zuhört und denkt, ich habe ein Buch übersehen, wo es um die verstorben
00:51:03: Mutter geht, dann schreiben sie gerne.
00:51:04: Ich bin auch immer interessiert.
00:51:06: Also ich weiß nur, dass es an Oskar Maria Graf dieses Buch "Meine Mutter" gibt, da habe
00:51:12: ich aber jetzt nicht mehr so eine Erinnerung, ob es auch um den Tod viel geht.
00:51:15: Ich glaube, es geht vor allem um das Leben der Mutter.
00:51:19: Herr Ingstädter, vielen Dank für das Gespräch.
00:51:21: Wir müssen schon zum Ende kommen.
00:51:22: Ja, ich danke Ihnen.
00:51:23: Es war eine sehr schöne Stunde.
00:51:26: Vielen Dank.
00:51:27: Danke Ihnen.
00:51:28: Das war über das Ende Folge 26.
00:51:32: Ich hoffe, es hat Ihnen wieder gefallen.
00:51:34: Lassen Sie uns fünf Sterne da und abonnieren Sie den Podcast, um keine Folge zu verpassen.
00:51:38: Ist Ihnen ein Satz hängen geblieben?
00:51:40: Wollen Sie mir einen Gast vorschlagen?
00:51:41: Schreiben Sie an podcast@chrismon.de und folgen Sie Chrismonen mehr auf Instagram, um immer
00:51:46: abtoday zu sein.
00:51:47: Bis zum nächsten Mal.
00:51:49: Bleiben Sie mutig, Ihr Konstantinsacher.
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